ANGEDICHTET

Per­son die mir unbekan­nt sind dichte ich gerne etwas an, ganz nach eigen­em Gus­to. So genügt ein Blick ins Angesicht meines Train­ingskol­le­gen in der Umk­lei­de und klar ist, das Bier aus der Region und die Schnitzel aus dem Bam­berg­er Speck­gür­tel munden nicht nur Son­ntags bestens. Auch die gute Göt­tinger in den prak­tis­chen kleinen Gläsern, die ruck zuck… Das ist ja auch nicht schw­er zu erdenken. Schwieriger sind da bek­lei­dete Per­so­n­en, deren Kör­p­er einge­hüllt in klei­d­sames Aller­lei, qua­si verdeckt zu mir spricht. Aber wenn Eine einen Plan hat, vom Tag und seinem Ablauf, vom zu gehen­den Weg und der Rou­tine zwei Stufen auf ein­mal zu nehmen, ist klar, das es Verpflich­tun­gen einzuhal­ten gilt, vielle­icht eine Aus­bil­dung? So ersinne ich rät­sel­hafte erste Sätze, die Stimm­lage, den Dialekt und Ton­fall Unbekan­nter, die Eige­narten und Spleens, vielle­icht den Beruf. Wie Sie so sind, liebevoll oder etwas kühl, selb­st­be­wußt oder doch wack­e­lig — und das gehört zur Kür, das Geflecht deren Mit­men­schen, die zu meinen Unbekan­nten beste Fre­unde sind, und vor allen Din­gen weshalb?

Zwei Bilder, dig­i­tal­isiert vom Siberge­la­tine Bary­tabzug, 13 x 18 cm

29. Novem­ber 2023

VERBINDENDE SPALTUNG

»Ein Bruch­fläche ist ein inter­es­santes Betra­ch­tung­sob­jekt. Teilung ist die Grund­lage für Gestal­tung. Etwas das zuvor Eins war; geteilt durch eine Line, einen Schnitt oder einen Bruch. Sind Teilun­gen durch Lin­ien und Schnitte uni­versell, so ist das Teilen — genauer das Spal­ten abso­lut ein­ma­lig. Arbeit­en mit Stein, solche die Gün­ther Rück­riem machte, haben auf mich wohl deswe­gen größte Wirkung. Der Gedanke funk­tion­iert in bei­de Rich­tun­gen: Der »Teil als Bestandteil des Ganzen«, und der »Teil als Teil­bares«. So ließe sich der Berg wieder zusam­menset­zten aus dem das Frag­ment kommt. Und das kle­in­ste denkbares Teil ist dadurch mit dem Ganzen ver­bun­den. Auch wenn es kein Indiz für den Panpsy­chis­mus sein kann, dann doch ein Hin­weis auf den pro­to-men­tal­en Aspekt der Materie.

Ein Bild, dig­i­tal­isiert vom Siberge­la­tine Bary­tabzug, 25 x 35 cm

30. Okto­ber 2023

GLAUBWÜRDIGE VORSPIEGELUNG

»Alles ist wirk­lich, war wirk­lich und wird wirk­lich sein. Was gewe­sen ist, bleibt wirk­lich, auch wenn kein­er sich mehr daran erin­nert, und das Zukün­ftige ist wirk­lich, wenn es denn wirk­lich wird, auch wenn es jet­zt noch nicht wirk­lich ist. Die Auseinan­der­fal­tung in Ver­gan­gen­heit, Gegen­wart und Zukun­ft entspräche dann ein­er Vorder­grund­wahrnehmung, und nicht der eigentlichen, der tief­er­en Wirk­lichkeit, die auf rät­sel­hafte Weise immer schon fer­tig ist. Das hat­te Ein­stein wom­öglich im Sinn, als er die Schei­dung zwis­chen Ver­gan­gen­heit, Gegen­wart und Zukun­ft zu ein­er wenn auch hart­näck­i­gen Illu­sion erklärte.«
Rüdi­ger Safran­s­ki, ZEIT 2017

Zwei Bilder, dig­i­tal­isiert vom Siberge­la­tine Bary­tabzug, 18 x 24 cm

24. Okto­ber 2023

VEREHRTE MARCELS

Zwei die ich ganz großar­tig finde hießen Mar­cel. Den einen, Duchamp, weil er mit seinem mit­tler­weile berühmten Motiv der Pfeife und dem Text, das es eben keine sei, einen Raum für die philosophis­che Betra­ch­tung von Kun­st eröffnet hat. Den anderen, — Proust, weil er es ver­ste­ht den Sinn durch einen sehr, sehr lan­gen Satz zu fädeln und ihn am Schluß des Sel­ben neben dem sprin­gen­den Punkt abset­zt. Grandios.

Drei Bilder, dig­i­tal­isiert vom Mit­telfor­mat­dia, 6 x 7 cm

12. Okto­ber 2023

GEHEN LASSEN

Ohne Eile führen die steilen Wege durch das Dorf über Trep­pen, an Fas­saden und Mauern ent­lang. Bek­lei­det mit unbeständi­gem Sand­stein, sich gegen­seit­ig stützen­den Balken und ris­sigem Putz. Mit alten Hosen und kari­ertem Hemd, dem Zweck entsprechend und bere­it sich zu erheben und im aus­geruht­en Licht der lan­gen flachen Strahlen die ver­streuten Gedanken des Tagen zu sammeln.

Drei Bilder, dig­i­tal­isiert vom Sil­berge­la­tine Bary­tabzug, 13 x 18 cm

7. Okto­ber 2023

HINGABE

»Für einen Augen­blick kön­nen wir aus dem neu ver­nomme­nen Klang von Vogel­stim­men eines früheren Früh­lings wie aus kleinen Far­ben­tuben — die genaue vergessene geheimnisvolle frische Nuance jen­er Tage gewin­nen, an die wir uns immer erin­nern zu kön­nen glaubten, und doch hat­ten wir nur wie schlechte Maler unserm ganzen, auf eine große Lein­wand gebre­it­eten früheren Leben die üblichen, immer gle­ichen Töne willkür­lichen Gedächt­niss­es ver­liehen. Und jed­er der Augen­blicke, aus denen sie sich zusam­menset­zt, ver­wandte doch zu ein­er Orig­i­nalschöp­fung von einzi­gar­tiger Har­monie die Far­ben von damals, welche wir nicht mehr ken­nen.« Die Her­zo­gin von Guer­mantes, Mar­cel Proust

Drei Bilder, dig­i­tal­isiert vom Neg­a­tiv, 6 x 6 cm

17. Sep­tem­ber 2023

DIE WIEDERGEFUNDENE ZEIT

Stille und Zeit bilden die Grund­lage, um Gedanken zu sam­meln und sie in kreativ­er Weise zu nutzen. Es erfordert geziel­ten Ein­satz von Werkzeu­gen und Mit­teln, um nicht von den unendlichen Möglichkeit­en abge­lenkt zu wer­den und stattdessen zur Essenz zu gelan­gen, die Gestalt und Namen verleiht.

Zwei Bilder, dig­i­tal­isiert vom Neg­a­tiv, 6 x 6 cm

5. Sep­tem­ber 2023